Die versunkene Kathedrale
über die künstlerische Arbeit von Stefanie Pojar(Katalogtext im Rahmen der Ausstellung “WHY DID THE ARTIST CROSS THE ROAD? HEGENBARTH TRIFFT GEGENWART”, 02.03.-13.05.2017, SAMMLUNG HEGENBARTH BERLIN)
Stefanie Pojars Lithografien strahlen etwas aus, das man erhaben nennen möchte. Eine große, schwarze Fläche überschwemmt das Papier. Grautöne brechen über diese Fläche herein. Da ist eine breite, weiße Form, die ins Schwarz fließt, wie ein Fluss ins Meer.
Die Künstlerin lässt Licht in einen dunklen Raum, der sich im Laufe der Betrachtung langsam als solcher zu erkennen gibt. Dabei ist es diese atmosphärische Lichtstimmung, die ein Gefühl der Erhabenheit, einen kleinen sakralen Moment, erzeugt, der jedoch, sobald man ihn wahrgenommen hat, sofort wieder verklingt. Im Jahre 1910 komponierte Claude Debussy ein Klavierstück mit dem Namen La cathédrale engloutie, was übersetzt so viel heißt wie Die versunkene Kathedrale. Während der Betrachtung von Stefanie Pojars Arbeiten fühlt man sich an die schwebenden, fast isoliert anmutenden Akkorde dieses Klavierstücks erinnert. Das Schwere und zugleich Gewaltige der Debussyschen Mixturtechnik könnte in ihren Lithografien eine bildnerische Entsprechung finden.
So wie Debussy einen Akkord an den anderen reiht und in diesem kompositorischen Vorgang zu versinken scheint, versinkt Stefanie Pojar in der kompositorischen Anordnung ihrer grafischen Elemente. Die nahezu meditative Musik trifft auf das meditative Herstellungsverfahren einer Lithografie. Es geht der Künstlerin um die facettenreiche Rhythmisierung von Bildelementen und somit um die Erzeugung eines Moments des bewegten Sehens.
Dass es Kirchen waren, die den Anfang der Metamorphose von Raum zu Unraum markieren, ist an dieser Stelle für die Künstlerin nicht mehr relevant. Stefanie Pojar unternimmt den Versuch, ein Gefühl der inneren Ruhe in ein visuelles Arrangement zu überführen. Dies, und das ist der Verdienst der Künstlerin, erreicht sie nicht mit rational anmutenden Gesten, sondern mit Einfühlung und Intensität.